„Ehre“ ist ein Begriff, zu dem es kein einheitliches Verständnis gibt. Der Begriff taucht in vielen Kulturen oder auch einzelnen Gruppen auf und hat für diese große Bedeutung. „Ehre“ wird oft im Zusammenhang mit Scham oder Schande verwendet, beides Folgen der Verletzung der Ehre, welche „wiederherstellt“ werden muss. Diese Wiederherstellung der Ehre kann nun entweder von der Person, die am Ehrverlust schuld ist, selbst durchgeführt werden, aber auch von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft, wie etwa der Familie.

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Meist sind es Mädchen und junge Frauen, welche für den „Ehrverlust“ sorgen, etwa durch vorehelichen Geschlechtsverkehr in Kulturen, in denen ihre Jungfräulichkeit eine große Rolle spielt. Für die Angehörigen, vor allem fr ihre männlichen Verwandten, kann dies etwa eine Bedrohung ihrer Männlichkeit darstellen, da diese offenbar nicht konsequent genug damit waren, die Mädchen und Frauen „im Griff“ zu haben. In manchen Fällen geht dies sogar so weit, dass die Familie der Mädchen und Frauen keine andere Option für die Wiederherstellung ihrer Ehre sehen, als die „Schuldige“ zu ermorden. Die Verantwortung für diesen Ehrenmord wird oft den – teilweise noch minderjährigen und damit strafunmündigen – männlichen Familienangehörigen der Mädchen und Frauen übertragen, welche dadurch nicht selten Traumata davontragen und somit nicht nur zu Tätern, sondern auch selbst zu Opfern werden.

Der Ehrenmord außerhalb der Familie ist eine Form der sogenannten Blutrache, eine Art private Vergeltung in manchen Kulturen, wobei durch den Mord eines Gegners die Familienehre wiederhergestellt werden soll. Hierbei gilt das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, also die Konvention, dass die Ehre der Familie nur „mit Blut reingewaschen“ werden kann. Die Blutrache ist vor allem dort ein allgegenwärtiges Problem, wo die Staatsgewalt eher schwach ist, etwa im Norden Albaniens und im Westen von Kosovo.

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Zu diesem Problembereich gehört auch die Zwangsheirat, die in manchen Kulturen eine Methode ist, um sicherzugehen, dass die Mädchen und Frauen „rechtzeitig“ (also noch als Jungfrauen) verheiratet werden. Widerstand würde in vielen Fällen wiederum einen Fleck auf der Ehre ihrer Familien bedeuten. Auch wirtschaftliche Gründe oder der Plan, die Familie durch Verwandtenehen zu stärken, können Motive sein, eine solche Zwangsheirat zu veranlassen. Die Zwangsheirat kann Mädchen und Frauen, die dabei als teils noch minderjährige Bräute herhalten müssen, allerdings oft sehr schaden. So werden diese etwa oft frühzeitig von ihren Bildungswegen abgebracht und somit verhindert, den weiteren Verlauf ihres Lebens selbst zu bestimmen.

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Um solchen Praktiken vorzubeugen, gibt es in Deutschland und Österreich das Heroes-Projekt, dessen Ziel es ist, gegen Unterdrückung im Namen der Ehre anzukämpfen und sich für Gleichberechtigung von Männern und Frauen einzusetzen. Genauer gesagt geht es beim Heroes-Projekt darum, dass jungen Burschen aus Ehrkulturen die Möglichkeit gegeben wird, sich kritisch mit ihren eigenen Wertvorstellungen auseinanderzusetzen und sich eingehend mit ihrer Herkunftsgesellschaft als auch ihrer österreichischen Aufnahmegesellschaft zu beschäftigen. Ehre, Chancengleichheit und Geschlechterrollen sind dabei nur ein paar der Schlüsselbegriffe, mit denen sich die Burschen – die angehenden Heroes – in wöchentlichen Trainings befassen, wobei sie von den Gruppenleitern mit notwendigem Input unterstützt werden. Wichtige Fragen wie „Was ist der Unterschied zwischen deiner Schwester und dir? Wovor musst du sie beschützen?“ stehen dabei etwa im Mittelpunkt, um die Strukturen und Traditionen der Ehrkulturen zu erkennen und den Burschen Argumente liefern, um sich gegen die Erwartungshaltungen ihrer Familien zu wehren. Anschließend an ihre sechs- bis achtmonatige Ausbildungsphase bewirken die Jugendlichen in ihren Peergroups eine Art Multiplikationseffekt, indem sie sich aus Überzeugung für gemeinsame Werte des Zusammenlebens stark machen und somit Reflexionen ihrer Freunde und Verwandten anstoßen.

Hier lassen sich weitere Informationen zum Heroes-Projekt finden, das auch in Graz vertreten ist.

Quellen:
http://www.demokratiezentrum.org/themen/genderperspektiven/religionsfreiheit-vs-gleichheitsgrundsatz/was-loest-die-debatte-inhaltlich-aus/geahndete-delikte-im-namen-der-ehre.html

https://www.zwangsheirat.de/informationen/ehrenmorde
https://www.gra.ch/bildung/gra-glossar/begriffe/belastete-begriffe/blutrache-vendetta/
https://www.gewaltinfo.at/themen/2013_08/motive-zwangsheirat.php
https://vmg-steiermark.at/de/heroes/projekt
http://www.annenpost.at/2019/01/02/heroes/
Haun, D./Wertenbruch, M. (2013): Forschungen und Entwicklungen zum Konzept der Ehre als Potential für Konflikte zwischen Kulturen. In: ÖIF-Dossier n°31, Wien.

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