Wie lange schätzen Sie, dauert es, eine Demokratie auszuschalten? Zwei Jahre? Drei Jahre? Noch länger? Die Vergangenheit hat uns leider gelehrt, dass dies um einiges schneller möglich ist: Insgesamt dauerte es nur etwa von März 1933 bis Februar 1934, also ein knappes Jahr, bis diese in Österreich außer Gefecht gesetzt wurde.

Max Fenichel, Public domain, via Wikimedia Commons

Dafür nutzte die Dollfuß-Regierung beginnend mit März 1933 unzählige Notverordnungen, die auf dem Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1917 basierten. So wurden Bürgerrechte auf gravierende, verfassungswidrige Weise eingeschränkt, was allerdings unter dem Erlassen der insgesamt über 400 Notverordnungen eine Art Scheinlegalität erhielt.

So wurden am 7. März 1933 etwa die Pressezensur und das Verbot politischer Versammlungen unter dem Vorwand des Schutzes von „Ruhe und Ordnung“ eingeführt. Nicht allzu viel später, am 31. März, wurde der Republikanische Schutzbund, eine paramilitärische Vereinigung der Sozialdemokratie und Gegenstück zu den Heimwehren, verboten.

Am 10. April wurde der Glöckel-Erlass aufgehoben, der Lehrpersonal von der Verpflichtung befreite, an religiösen Übungen teilzunehmen. Auch für Arbeitslose gab es relativ zeitgleich, am 11. April, schlechte Nachrichten: Ohne Opposition gab es für die Dollfuß-Regierung keinen Widerstand dabei, zahlreiche Verschlechterungen wie etwa eine Verkürzung des Arbeitslosengeldes und mehr Hürden zum Erwerben des Anspruches darauf durchzuführen.

Kurz darauf, am 21. April wurde auch das Streikrecht durch die „Verordnung zum Schutze der Wirtschaft gegen Arbeitseinstellungen“ weitreichend eingeschränkt. Anlass hierfür waren Proteste der Zeitungsleger gegen die Pressezensurmaßnahmen.

Einen weiteren riesigen Schritt wagte die Dollfuß-Regierung am 10. Mai: Nun wurden auch anhand von Notverordnungen Neuwahlen für Landtage, Gemeinderäte und andere politische Vertretungskörper unter dem Vorwand der „Abwehr von wirtschaftlichen Schädigungen während der Fremdensaison“ verboten.

Am 20. Mai wurde die Vaterländische Front gegründet, deren Vorbild die faschistischen Einheitsparteien in Italien und Deutschland waren. Deren Symbol war das Kruckenkreuz, das ein Verweis auf die christlichen Kreuzfahrer und ein Gegenbild zum heidnischen Hakenkreuz sein sollte.

Ein Problem beim Regieren durch Notverordnungen war selbstverständlich der Verfassungsgerichtshof, der diese als verfassungswidrig erklären und wieder aufheben konnte. Aus diesem Grund wurde dieser am 23. Mai einfach selbst durch eine weitere, trickreiche Verordnung lahmgelegt.

Am 26. Mai wurde die KPÖ, die bereits seit 1927 schon unter starker behördlicher Verfolgung stand, schlichtweg einfach verboten, nachdem davor etwa bereits Hausdurchsuchungen sowie auch weitere Einschränkungen stattgefunden hatten. Wenig später, am 12. Juni, wurde auch der Freidenkerbund, ein Verein der Konfessionslosen, verboten.

Auch die NSDAP wurde jedoch am 19. Juni aufgrund einer regelrechten Terrorwelle mit vielen Toten in Österreich verboten. Hinter vorgehaltener Hand führte die Regierung jedoch weiterhin geheime Verhandlungen mit den Nationalsozialisten.

L&H84290, Public domain, via Wikimedia Commons

Kurz nach der Regierungsumbildung am 21. September, wo die letzten kritischen Stimmen verstummt wurden, wurde am 23. September die Errichtung von Anhaltelagern beschlossen, ein enormer Eingriff in die Freiheitsrechte. Vorerst wurden hier vor allem Personen, die der KPÖ oder der NSDAP angehörten, inhaftiert, später jedoch auch viele sozialdemokratische Funktionäre.

Etwas später, am 10. November, wurde die Todesstrafe unter der Dollfuß-Regierung wieder eingeführt, sowie auch das Standrecht, welches ein verkürztes Gerichtsverfahren für mutmaßliche Täter:innen vorsieht, welches vor allem in Kriegen als Mittel zum Einsatz kommt.

Dies ist nur eine sehr knappe Zusammenfassung einiger wichtiger Geschehnisse, eine ausführlichere Beschreibung lässt sich derzeit im Foyer des Grazer Rathauses finden, wo derzeit die Ausstellung „Die Zerstörung der Demokratie“ gezeigt wird.

2 Comments

  1. Barbara Kasper 11. April 2024 at 18:24 - Reply

    Dieser Artikel freut mich ganz besonders, liebe Miriam. Danke! Und der Einstieg ist genial. Barbara

  2. Manfred Oswald Oberst iR 11. April 2024 at 20:12 - Reply

    Während der „Ständestaat“- Diktatur wurde im Schloss Messendorf St.Peter Hauptstraße Nr.182 in den Jahren 1934/35 ein Anhaltelager für etwa 250 Männer aus politisch verbotenen Parteien errichtet. Aus Anlass des Tages der Menschenrechte 2022 widmete das Land Steiermark allen von der dunklen Geschichte von Schloss Messendorf Betroffenen eine eigene Gedenktafel. Schloss Messendorf wurde in der „Stadt der Menschenrechte“ein Ort des Gedenkens und der Erinnerung.

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Von: Miriam

11. April 2024

Bild: Agence de presse Mondial Photo-Presse. Agence photographique, Public domain, via Wikimedia Commons

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